Richard Rendl

Gregory Bateson

Ökologie des Geistes

Stil, Grazie, Information ....


Aldous Huxley sagte immer, daß das zentrale Problem der Menscheit die Suche nach Grazie (grace) sei. Dieses Wort gebrauchte er so, wie er meinte, daß es im Neuen Testament verwendet werde. Er erklärte das Wort jedoch in seinem eigenen Sinne. Er argumentierte - wie Walt Whitman-, daß Kommunnikation und Verhalten von Tieren eine Naivität und Einfachheit haben, die den Menschen verlorengegangen sind. Das menschliche Verhalten ist korrumpiert durch Täuschung - sogar Selbsttäuschung -, durch Zwecksetzung und durch Selbstbewußtsein. So, wie Aldous die Sache sah, hat der Mensch die "Grazie" verloren, die den Tieren noch eigen ist. Im Sinne dieses Kontrasts vertrat Aldous die These, daß Gott eher den Tieren als dem Menschen gleicht: Er ist ideell unfähig zu täuschen, und zu inneren Verwirrungen nicht in der Lage. In der Gesamtskala der Lebewesen ist der Mensch sozusagen beseite gerückt und ihm fehlt die Grazie, die den Tieren eigen ist und die Gott hat.

Ich behaupte, daß die Kunst ein Teil jener Suche des Menschen nach Grazie ist; manchmal seine Ekstase im teilweisen Erfolg, manchmal seine Wut und Qual beim Versagen.

Ich behaupte auch, daß es innerhalb der Hauptgattung viele Arten von Grazie gibt; und viele Formen des Versagens.

Einige Kulturen können einen negativen Zugang zu dieser schwierigen Integration begünstigen, eine Vermeidung von Komplexität durch krasse Bevorzugung entweder des totalen Bewußtseins oder totalen Unbewußtseins. Ihre Kunst wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht "groß" sein.

Ich werde so argumentieren, daß das Problem der Grazie grundsätzlich ein Problem der Integration ist, und was integriert werden soll, sind die verschiedenen Teile des Geistes – besonders jene vielfältigen Ebenen, deren eines Extrem "Bewußtsein", das andere "Unbewußtes" genannt wird. Zur Erreichung von Grazie müssen die Gründe des Herzens mit den Gründen des Verstandes verbunden werden.

Edmund Leach hat uns in seinem Beitrag mit folgender Frage konfrontiert: Wie kommt es, daß die Kunst einer Kultur Bedeutung oder Geltung für Kritiker haben kann, die in einer anderen Kultur aufgewachsen sind? Meine Antwort wäre: wenn die Kunst in irgend einer Weise so etwas wie Grazie oder psychische Integration ausdrückt, könnte das Gelingen dieses Ausdrucks sehr wohl über kulturelle Grenzen hinweg erkennbar sein. Die körperliche Grazie von Katzen unterscheidet sich zutiefst von der körperlichen Grazie von Pferden, und doch kann ein Mensch, dem es an der körperlichen Grazie beider fehlt, die Grazie bewerten.

Und selbst, wenn das Thema von Kunst das Scheitern von Integration ist, überrascht doch das transkulturelle Erkennen der Produkte dieses Scheiters nicht so sehr.

Die zentrale Frage lautet: Inwiefern ist im Kunstwerk eine Information über psychische Integration enthalten oder codiert?

 

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